Moskau

Moskau 23.02.15 – 28.02.15

Flugreise 1.800 Km

 

Rhetorik und Realität

Im Februar sind es um 0°C in Moskau, es kann schneien, aber auch offen bleiben, oder wirklich frostig werden. Das Wetter, das uns dann auch genau so in der goldenen Kapitale Russlands erwartet, spiegelt gut das Verhältnis zwischen unseren Regierungen wieder. Jedes Land spricht dem anderen ab, eine unabhängige Presse und gute Absichten zu haben. Der Krieg in der Ukraine ist zum Streitfall zwischen Ost und West geworden, Monate nach unserer Reise wird Medwedew (russischer Ministerpräsident), den Zustand der Beziehungen beim Namen nennen, er spricht von einem neuen kalten Krieg.

Doch der Eiserne Vorhang bleibt auch bei kalter Rhetorik und tausenden von Toten in der Ukraine Vergangenheit. Wir haben ein Touristenvisum im Reisepass als wir zusammen mit Geschäftsreisenden den Linienflug antreten und auch die russischen Beamten scheinen kaum Notiz davon zu nehmen, dass zwei Touristen ihre Hauptstadt bewundern wollen.

Stadtwanderung und Fotosafari

Mehr als eine Reise im Gebirge, oder in der Natur, lebt eine Stadtreise vom Wandern. Kilometer um Kilometer will eine Stadt betrachtet werden. Andreas und ich lieben es zu Fuß in die Straßen einer Metropole einzutauchen und sich immer weiter durch sie treiben zu lassen. Moskau macht es einem in dieser Hinsicht nicht leicht. Die Stadt ist herrschaftlich weitläufig, mit langen Straßenachsen und mächtigen Gebäuden. Die Dimensionen beeindrucken, sind aber nicht für Fußgänger bestimmt. Als wir am ersten Abend ins Hotel zurückkehren brennen unsere Füße.

Am nächsten Tag tauchen wie daher nicht in die gepflegten Straßenschluchten, sondern durch sie hindurch in den Untergrund der Stadt. Aus der Hauptstadt  der ehemaligen Sowjetrepublik Usbekistan, aus Taschkent, wissen wir, dass das Fotografieren im Untergrund nicht willkommen ist; da die U-Bahn auch als Luftschutzbunker dient, ist sie eine militärisch relevante Anlage. Doch Andreas traut sich und hält Kronenleuchter, Mosaike und weit spannende Stuckdecken fest. Am Ende unserer heimlichen Fotosafari lesen wir, dass in Moskau nur noch das Filmen verboten ist, diese Fotos hätten wir auch ohne Nervenkitzel haben können.

Die Leichtigkeit der Freude

Andere Fotos kosten nur Zeit und kalte Hände, aber sie ersparen mir von goldenen Kremlkuppeln, bunten Kirchtürmen, prächtigen Kaufhäusern und gepflegten Straßen zu schreiben, denn sie sprechen für sich. Ich schreibe lieber von einem anderen kleinen Nervenkitzel; Eislaufen in Moskau. In vielen Parks der Stadt wird das Wintervergnügen angeboten. Doch zur Feier der Roten Armee schmückt sich der Rote Platz mit einem kleinen Rummel und einer Eisbahn. Und auch wenn man mir durch meinen Wintermantel die kleine Kugel am Bauch schon etwas ansieht, in der unser Kind wächst, kann ich der Versuchung nicht wiederstehen, will vor dem Hintergrund der Basilius-Kathedrale und vor den Mauern des Kremls über das Eis gleiten – glückliche Minuten, in denen die Schwere der Füße, die Schwere des geschichtsträchtigen Ortes von mir fällt und wir in das Alltagsvergnügen der Moskauer eintauchen.

Nachrichten aus Moskau

In unserer letzten Nacht im Hotel Budapest, wird wenige Kilometer von uns entfernt der Oppositionspolitiker Boris Nemzow auf offener Straße, auf der Brücke, auf der wir am Abend zuvor das nächtliche Moskau fotografierten, erschossen. Wir erfahren davon erst in Deutschland, befinden uns in Moskau, wie so oft auf Reisen, von den Tagesnachrichten, durch die Sprachbarriere, zum Teil abgeschnitten. Es ist keine wirkliche Trauer, die in mir aufkommt, ehr Ärger. Ich versuche immer wieder dafür zu werben, die beiderseitige Kriegsrhetorik beiseite zu lassen und auch die russischen Argumente im Krisenfall Ukraine zu hören. Russland hat gute Argumente, dass Verhalten des Westens als Angriff zu verstehen. Doch nun ein weiterer unverzeihlicher Mord an einem Oppositionspolitiker – Moskau hat zu viele Gesichter um sie in fünf Tagen zu verstehen und wer Moskau kennt, da sind wir uns sicher, hat das weite Russland noch lange nicht begriffen.